Dass die Zeiten herausfordernder werden, ist unbestritten. Dies gilt nicht nur für die Investmentlandschaft oder Projektentwickler, sondern auch für die Betreiber. Es wird immer schwieriger, adäquate Produkte für die Expansion zu finden.
Da der Neubau aufgrund von Zinsen, Baukosten etc. derzeit nahezu vollständig ausscheidet, bleibt vor allem die
Flucht in Bestands- oder Konversionsobjekte. Naturgemäß wurden dabei bisher mehrheitlich vor allem die
A-, B- und C-Standorte fokussiert. Doch mit dem
Druck der Betreiber weiter zu wachsen und zu expandieren, wird das Angebot auch an diesen großen Standorten immer weniger. Das gilt sowohl für Neubau als auch für Konversions- oder Bestandsobjekte. Was bedeutet das in der Konsequenz?
Nach unseren Beobachtungen wird immer mehr auf die D, E, … Z-Standorte ausgewichen. Dort ist teilweise noch Potenzial sowohl im Bestand als auch in Konversionsobjekten vorhanden, einfach deshalb, weil diese Lagen in der Vergangenheit bei allen Beteiligten aus verschiedenen Gründen nicht auf der Prioritätenliste standen. Oftmals handelt es sich unserer Meinung nach um sogenannte Zweite-Blick-Destinationen, welche nicht aufgrund der Einwohnerzahl, sondern vor allem aufgrund der hohen Übernachtungen für Hotelbetreiber durchaus relevant sind.
Paradebeispiel hierfür wären
Magdeburg mit fast 700.000 Übernachtungen oder der
Mosel-Tourismus geprägte Landkreis Cochem-Zell mit 1,8 Mio. Übernachtungen – nicht jeder hat solche Standorte auf dem Schirm. Doch auch andere Standorte, häufig im Osten Deutschlands, zeigen Potenzial. Standorte, die regelmäßig zwischen 140.000 – 300.000 Übernachtungen generieren, als Beispiele seien hier
Suhl oder
Jena genannt.
Touristenattraktion: Moselschleife bei Bremm im Landkreis Cochem-Zell
In der Metropolregion Mitteldeutschlands: Die Universitätsstadt Jena weist sehr hohe Zukunftschancen auf.
Doch hier kommt das eigentliche „Problem“: Diese Standorte sind oftmals durch die Markenhotellerie noch nicht intensiv erschlossen, sondern vorwiegend durch die Privathotellerie dominiert. Dadurch lässt sich das Raten- und Auslastungsniveau der vergangenen Jahre schwer als Vergleich heranziehen.
Die übliche Herangehensweise für einen Expansionsmanager - und korrigiert mich hier gerne - ein Compset zu ziehen oder ganz profan auf den Buchungsseiten die Tagesraten der am Zielort vorhandenen Betriebe abzufragen, reicht nicht aus. Denn der Knackpunkt ist: Gibt es am zu überprüfenden Standort zum Beispiel nur drei Markenbetriebe, welche einer ganz anderen Kategorie zuzuordnen sind und zusätzlich - beschönigend ausgedrückt - in die Jahre gekommen sind, sind diese Werte als Vergleichszahlen nicht reliabel, werden aber aufgrund mangelnder Alternative trotzdem verwendet.
Dementsprechend wird sich der Expansionsmanager sehr wahrscheinlich dazu entscheiden a) entweder den Standort nicht anzugehen oder b) in seiner internen Kalkulation ebenfalls analog von einer niedrigen Rate oder Auslastung ausgehen. Dies kann dazu führen, dass für ein Projekt eine vermeintlich adäquate Pacht angeboten wird, welche aber zwangsläufig zu niedrig ist, um z. B. eine Konversion anzugehen und zu realisieren (vom Neubau ganz zu schweigen).
Denn die Frage ist, wäre mit einem frischen und neuen Produkt eine höhere Rate und Auslastung zu erzielen als bei den bereits vorhandenen (ggf. in die Jahre gekommenen) Produkten? Zu überlegen ist doch, ob die vorhandene niedrige Ratenstruktur beziehungsweise auch die Auslastung nicht daraus resultieren, dass am Standort kein Produkt vorhanden ist, welches Gäste motivieren könnte dort zu übernachten und höhere Raten zu bezahlen. Neue Nachfrage wird mit diesen neuen Produkten sehr wahrscheinlich eher mittelfristig generiert werden, wohl aber wird die vorhandene Nachfrage sehr wahrscheinlich sogar kurzfristig auf das neuere, attraktivere Produkt umschwenken.
Fakt ist: Jeder Betreiber ist für den Betrieb seines Hauses verantwortlich und muss nach bestem Wissen und Gewissen entscheiden, welche Ratenstruktur und Auslastung am Standort als realistisch erachtet wird. Er muss das Haus schließlich betreiben und eine gute Perfomance erzielen. Auch wenn es uns gelingt, hier das Problembewusstsein zu schärfen, können wir als K:22 natürlich keine generelle Handlungsanweisung oder Lösung geben. Was wir jedoch leisten können, ist eine
solide Machbarkeitsstudie als Grundlage für eine Standortentscheidung.
Unserer Beobachtung nach gibt es an diesen in der Vergangenheit als nicht besonders attraktiv erachteten Standorten immer noch viel Potenzial, sowohl was die Möglichkeit der Marktdurchdringung als auch die Verteilung der Gästenachfrage angeht. Vor allem sehr zentrale Innenstadtlagen bieten sich für Hospitality-Betriebe an – wobei natürlich immer auf standortadäquate Objektgrößen geachtet werden sollte. Manchmal kann es sich so ggfs. auszahlen, der First Mover zu sein und mit einem neuen Produkt frischen Wind an einen Standort zu bringen.
Autor: Oliver Kaiser | Januar 2024